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5 Das Pulvermagazin auf dem Hexenbruch

Entstehung

Der Höchberger Chronik kann man entnehmen: Im Jahre 1816 wurde durch den bayerischen Geniedirektor Major Streiter mit einem Kostenaufwand von 10.000 Gulden ein Pulvermagazin mit Wachhaus und Laboratorium auf dem Hexenbruch erbaut. 1814 kam das ehemalige Hochstift Würzburg zu Bayern, die bayerische Armee zog in Würzburg ein. 1815 taucht der Name Streiter in der Geschichte der Festung Marienberg auf, hier als Ingenieurhauptmann. Er sollte ein militärisches Gutachten über die in den napoleonischen Kriegen stark beschädigte Festung erstellen. Streiter kam zu der Auffassung, die Festung sei nach modernen Grundsätzen nicht mehr zu verteidigen. Das Kriegsministerium in München entschied anders: Stadt und Burg blieben bis 1856 bzw. 1867 bayerische Festung. Wie erwähnt, baute Streiter dann 1816 das Pulvermagazin auf dem Hexenbruch, das sogenannte "Friedensmagazin". Neu war, daß dieses weit ab von schützenden Stadt- oder Festungsmauern errichtet wurde. Es ergibt sich die Frage: Warum auf dem Hexenbruch?

Die Nähe zur Garnison auf der Festung und zu den Kasernen im Mainviertel von Würzburg war gegeben. Wie eine alte Karte zeigt, verlief der heutige Hexenbruchweg geradewegs über das Pulvermagazingelände zum Waldweg „Kaiserstraße“, und diese führte nach Waldbüttelbrunn. Später wurde dieser Weg an die Südseite des Pulvermagazinareals und von dort zur Kaiserstraße verlegt (die Aschaffenburger Straße in Höchberg wurde erst 1893 gebaut). Im Kriegsfall konnte somit das gelagerte Pulver in zwei Richtungen abtransportiert werden. Außerdem lief die Fernverbindung Paris - Prag in unmittelbarer Nähe vorbei; die Linienführung von West nach Ost war Lengfurt - Roßbrunn - Hettstadt - Hettstadter Steige - Würzburg/Alte Mainbrücke - durch das Haslachtal über die 1769 erbauten und noch heute bestehenden 'Römerbrückchen' nach Biebelried. Es war also vom Hexenbruch nicht weit zu einer Fernverbindungsstraße.

Die Pulvermagazine in und um Würzburg

Pulvermagazine baute das Militär zum Lagern des in Pulvermühlen hergestellten Schießpulvers. Es wurde in Fässern gelagert und die Pulverhörner der Musketiere damit gefüllt. Patrone und Munition kamen erst Ende des 19. Jahrhunderts auf.

Ein Auftrag an Balthasar Neumann: Um die innerhalb der Würzburger Stadtmauern befindlichen Handpulvermagazine im Belagerungsfall problemlos auffüllen zu können, wurde neben dem Pulvergewölbe auf der Festung ein Pulvermagazin in der Unterstadt nötig. Ab dem 15. April 1725 trieb Balthasar Neumann einen Stollen in den Fels unterhalb der Festung. Wegen eines Wassereinbruchs wurde er vermutlich nie vollendet und später als Bierlager einer ansässigen Brauerei genutzt. Der Eingang ist heute noch oberhalb des Parkhauses „Spitäle“ sichtbar. Während des II. Weltkrieges wurde der Stollen als Luftschutzbunker ausgebaut, in dem viele Würzburger den schrecklichen Bombenangriff vom 16. März 1945 überlebten.

Abbildung 5-1: Eingang des von Balthasar Neumann angelegten Stollens über dem Dach des Parkhauses „Spitäle“, 1994.

1761 entstand ein Pulvermagazin auf der Festung im Graben des Inneren Höchberger Tores. Heute ist dort der große Parkplatz und das Tor zum Weinwanderweg.

1816 folgte dann der Bau des Pulvermagazins auf dem Hexenbruch.


Lageplan Pulvermagazin.

1837 wurde an der Nordseite der Festung zwischen dem mittelalterlichen Bering und der barocken Befestigung wiederum ein Pulvermagazin mit einem Aufwand von 30.000 Gulden erbaut. Es wurde 1938 gesprengt, der Schuttberg aber erst 1951 entfernt. 1937 erschien in der Würzburger Tagespresse ein Artikel über dieses Pulvermagazin:

„Wenn die Besucher der Festung durch den Schönbornausfall emporgestiegen sind, erblicken sie innerhalb des Walles zur rechten Hand eine Ruine, ein im Abbruch befindliches ansehnliches Gebäude. Viele werden sich noch erinnern, daß es bis vor kurzem von einer Mauer nach außen abgeschlossen war; auf seinem Dach waren mehrere Blitzableiter angebracht. Die Mauer ist nun schon längere Zeit verschwunden, das Dach abgedeckt und die Stirnseite aufgebrochen. Ein mächtiges Ziegelgewölbe, auf dicken Mauern ruhend, kommt zum Vorschein. Wir haben das 1837/1838 erbaute Kriegspulvermagazin der Festung vor uns. In früheren Zeiten dienten einige Türme des Scherenbergberings als Pulvergewölbe; erst 1760/61 wurde unter Leitung des Hauptmanns Joh. Mich. Fischer ein besonderes Magazin im Graben vor der Westfront erbaut. Dieses litt aber durch die Kriegsereignisse der Franzosenzeit derart, daß noch unter der Großherzoglichen Regierung ein Neubau am gleichen Platz begonnen wurde, der 1816 fertig war und 9565 fl. kostete. Da die Aufbewahrung so großer Pulvermengen in der Nähe der Festungsgebäude recht ungemütlich war, so wurde noch 1816 ein „Friedenspulvermagazin“ auf dem Hexenbruch errichtet. Das alte Pulvermagazin im Graben vor der Westfront erwies sich im Lauf der Zeit als zu klein und feucht. Deshalb wurde 1837 der Bau eines neuen Kriegspulvermagazins in günstigerer Lage genehmigt und bis 1839 ausgeführt; Kosten 30329 fl. Es ist das Gebäude, das nun nach hundertjährigem Bestehen wieder verschwindet. Es trug seinen Namen deshalb, weil im Frieden ein großer Teil der Pulvervorräte auf dem Hexenbruch verwahrt wurde; im Kriegsfall mußte natürlich alles in die Festung geschafft werden. Der Gesamtvorrat betrug durchschnittlich mehr als 4000 Ztr.; 1857 lagen auf dem Hexenbruch 1840 Ztr., in der Festung 2883 Ztr. Das neue Magazin war für damalige Begriffe „bombensicher“ eingewölbt; gerade jetzt beim Abbruch kommt die Stärke der Mauern deutlich zum Ausdruck. Nun ist auch sein Ende gekommen; es ist ja zwecklos geworden. Sein Verschwinden wird besonders dem Nördlichen Scherenbergbering zum Vorteil gereichen.“.

1865 entstand nochmals außerhalb der Festungsmauern, im Steinbachtal, ein Pulvermagazin. Dieses Gelände erwarb 1908 der Würzburger Verschönerungsverein, der auf den Fundamenten des Pulverhauses das „Waldhaus“ mit Gaststätte und Versammlungsräumen erbaute. Heute ist in diesem Haus die Verwaltung der Kneipp-Werke untergebracht. Das alte Wachhaus des Pulvermagazins steht heute noch.

Und - weil es sich so schaurig-schön liest - noch ein Zitat aus einem Artikel des Würzburger Adreßbuches von 1910: „Lag da noch kürzlich im Steinbachtal ein unheimliches Gehöft. Über düsteren Mauern ragte ein schwarzes Dach und aus diesem eiserne Spieße (wohl Blitzableiter) hervor... An den verschlossenen Toren bewaffnete Wärter, die den Herankommenden ernstlich bedrohten. Und heute ein freundlich behäbiges, echt fränkisches Wirtshaus.“

Abbildung 5-2: Wachhaus des ehemaligen Pulvermagazins Steinbachtal.

Das Hantieren mit Pulver ist, wie in der Geschichte Würzburgs zu lesen ist, nicht ganz ungefährlich: „In der Nähe des Karthäuserklosters hat im Jahre 1680 eine Pulvermühle gestanden. In einer Urkunde ist nämlich folgendes zu lesen: 'Am 14. März 1680 ist ein großes Unglück allhier in Würzburg entstanden, indem die Pulvermühl sammt 20 Zentner Pulver in die Luft geflogen und zu Schanden gegangen, auch das Dörrhaus so ganz zerschmettert worden, daß kein Stein auf dem andern verblieben; hat auch noch viel andre Häuser ruiniert, Fenster, Öfen und dergl. Eingeschlagen; ist sehr großer Schrecken unter den Leuten entstanden, von wegen des großen gewalts, der sich hat lassen hören, besonders von H. H. Kartheusern uff die 1000 fl. Schaden gethan. Um andern Tag hat die Kartheuser Kuh gekalbt zum driten.'"

Geschichte des Pulvermagazins auf dem Hexenbruch

Der erste Katasterplan des Hexenbruchs von 1834 (ab 1832 wurde Franken katastermäßig erfaßt) zeigt auf der Höhe des Hexenbruchs die drei zuerst errichteten Häuser - Pulverhaus, Laboratorium, Wachhaus. Auf einer Lithographie von 1845 kann man über der Stadt Würzburg den Hexenbruch und diese drei Häuser erkennen. Im Würzburger Adreßbuch taucht 1872 unter Distrikt V (außerhalb des Zeller Tors) in der Rubrik „Häuser o. Nr.“ das Pulvermagazin als Militärärar „Pulvermagazin am Hexenbruch“ auf. Das Pulvermagazin war ein 6 - 7 ha großes Gelände im Bereich Allerseeweg - Alleeweg. Davon waren ca. 4,5 ha auf Höchberger, der Rest auf Würzburger Gemarkung. Im Westen begann es bei Haus Nr. 47 der heutigen Albrecht-Dürer-Straße, im Osten reichte es etwa 150 m über die heutige Bebauung hinaus. Dieser östliche Teil - ein ehemaliger Steinbruch, der Ende der 50er Jahre mit Schutt aus dem zerbombten Würzburg verfüllt wurde - gehörte damals zu Würzburg, durch Umgemeindung ist dies jetzt Höchberger Gebiet.

Wie bereits erwähnt, wurde im Bruderkrieg 1866 beim Anrücken der preußischen Armee das Pulvermagazin von den bayerischen Truppen in Brand gesetzt. In den danach datierten Plänen tauchen die Gebäude „Pulvermagazin“ und „Wachhaus“ (alt) an der selben Stelle wieder auf. Höchstwahrscheinlich wurden gleichzeitig auch neue Gebäude erstellt. Ein Munitionsmagazin erscheint in den Plänen (es gab wohl bereits Munition), ebenso ein neues Wachhaus. Genieoberleutnant Bay veranlaßte 1867, das Pulverlager des 1864 im Steinbachtal errichteten „Pulvermagazins“ auf den Hexenbruch zu verlegen (wegen der Lagerung von Munition?).

Die Straße nach Waldbüttelbrunn, die bisher quer durch das Magazingelände verlief, wurde verlegt. Später erschienen Sprengmunitionsmagazin, Zündermagazin, Kartuschen- und Geschoßmagazin und eine Zisterne in den Plänen.

Abbildung 5-3: Das letzte noch bestehende Haus des Pulvermagazins, das „Arbeitshaus“.

Das heute noch existierende Gebäude am Alleeweg war das 1904 errichtete Arbeits- und Verwaltungshaus. Während alle anderen Gebäude gemauert waren, ist dieses ein Fachwerkbau mit Außenverbretterung. In der Mitte des Gebäudes war der Arbeitsraum. Die Eingangstüre hat ein Vordach als Wetterschutz beim Abladen. Rechts war die Kanzlei, links besser ausgestattete Räume, wohl für den verantwortlichen Offizier. Nur dieses Haus und das Wachhaus konnten beheizt werden. Zwei der Häuser waren besonders auffällig: Zum einen das zuerst errichtete Pulverhaus (der heutige Standort wäre Albrecht-Dürer- Straße Nr. 94/96 - 112/114) und das fast gleiche Munitionshaus (heutiger Standort wäre Haus Albrecht- Dürer-Straße Nr. 1). Dies waren zwei große Häuser mit dicken Mauern, zweigeschossig mit mächtiger Balkendecke.

Abbildung 5-4: Ein großes Haus des Pulvermagazins, etwa 1948.
Um es bewohnbar zu machen, wurde die hohe Umfassungsmauer bereits eingerissen.
Die Holztore rechts wurden wegen landwirtschaftlicher Nutzung angelegt.

Um die beiden Gebäude zog sich eine ca. 4 m hohe, wehrhafte Umfassungsmauer mit Schießscharten, beide hatten jeweils eine kleine Zisterne. Alle anderen Häuser waren kleiner, etliche sogar sehr klein. Alle hatten massive Holztüren und Holzklappläden, die mit Zinkblech beschlagen waren. Das ganze Areal war mit einem hohen, massiven Maschendrahtzaun umgeben, der drei Tore hatte. Das Haupttor befand sich am heutigen Allerseeweg (die steinernen Torpfosten stehen noch, nahe Haus Nr. 95); hier stand auch das Wachhaus. Das Westtor befände sich heute etwa bei Albrecht-Dürer-Straße Nr. 47, das Nordtor am heutigen Alleeweg. 1945 standen 16 große und kleine Häuser im Magazin. Einen amtlicher Plan mit allen Häusern gibt es allerdings anscheinend nicht, nur einen privat erstellten Gebäudeplan von 1952.

Plan Süderling.

Die letzten Veränderungen gab es 1934/36 mit dem Bau etlicher kleinerer Häuser. Die Bebauungsgrenze (Sicherheitsabstand) wurde ausgeweitet. Der Erbauer des ersten Wohnhauses (heute Seeweg Nr. 42) am Hexenbruch, Christian Müssig, erzählte: „Ich wollte näher an der Straße bauen und hatte per Hand schon die halbe Baugrube ausgehoben, als diese Verfügung erlassen wurde und ich eine neue Baugrube anfangen mußte.“ In einem Schreiben der Reichsstelle für Raumordnung an das Oberkommando der Wehrmacht vom 03. Februar 1938 wird vorgeschlagen, die Heeresnebenmunitionsanstalt Hexenbruch aufzulösen. Die Wehrmachtinspektion plane bei Gerbrunn und Rottendorf neue Munitionslager und so sei Würzburg von drei Munitionsniederlagen umgeben, wovon für jedes ein eigener Schutzbereich auf Kosten des knappen Siedlungsgeländes nötig sei. 1 ½ Jahre später begann der 2. Weltkrieg.

Der Zweite Weltkrieg

In den 30er Jahren bis zum Kriegsende gehörte das Magazin zur Infanteriekaserne in der Zellerau (55. Infanterieregiment, früher 9. Regiment). Als Wache kamen sechs Soldaten mit einem Wachhabenden im täglichen Wechsel von dieser Kaserne zum Pulvermagazin; Verpflegung wurde mit- gebracht. Jeweils zwei Wachsoldaten patroullierten entlang des Zaunes.

Hier möchte ich ein persönliches Erlebnis einflechten. Zusammen mit meinem Freund Hans Müssig besuchte ich des öfteren das Wachhaus, dessen Süd- (und Fenster-)seite frei zugänglich war. Den Soldaten machte es bisweilen etwas Spaß, sich mit uns zu beschäftigen. Wir durften ihre Mützen aufsetzen, kletterten auch manchmal durch das Fenster in die Wachstube und besichtigten den seitlich gelegenen Schlafraum mit Stockbetten und das Trockenklosett. Das war schon ziemlich aufregend. Später sahen wir die Soldaten wieder mit Gewehr und ganz dienstlich auf Kontrollgang.

Kriegsende und Nachkriegszeit

Eine Luftaufnahme der amerikanischen Streitkräfte vom 22. März 1945 zeigt, daß zu diesem Zeitpunkt noch alle Gebäude erhalten waren. Das große alte Steingebäude an der Westseite war allerdings nach dem Krieg eine Ruine. Wie und von wem es zerstört wurde, ist nicht bekannt, an Brandspuren kann sich auch niemand erinnern. Später wurden militärische Ausrüstungsgegenstände verstreut um die Ruine gefunden.

Im Wald an der Kaiserstraße sind kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen etliche Bomben gefallen. Dort stand, teilweise in ausgehobenen Erdvertiefungen, der Wagenpark einer deutschen Flakeinheit. Am 01. April 1945 sind in Höchberg einige Bomben gefallen. Eine militärische Wache aus der Zellerau hat es wohl beim Anrücken der amerikanischen Armee gegen Höchberg am 02. April 1945 nicht mehr gegeben. Am 31. März 1945 war auf die Zellerau ein Bombenhagel niedergegangen, der das Kasernengelände zum größten Teil dem Erdboden gleichmachte.

Das Pulvermagazin am Hexenbruch hat zu dieser Zeit aufgehört, ein militärisches Gelände im eigentlichen Sinne zu sein.

Von der ersten Zeit nach dem Einmarsch der Amerikaner weiß anscheinend niemand, was im Pulvermagazin geschah. Es gab eine Ausgangssperre, man durfte das Haus nur für wenige Stunden am Tag verlassen. Über noch vorhandene Munition ist wenig bekannt; Zeitzeugen berichten von Munition im Wald bei der Kaiserstraße. Hauptsächlich soll es sich dabei um Gewehr-, Flak- und Maschinengewehrmunition gehandelt haben. Auch von einer Sprengung an der Kaiserstraße wird berichtet, bei der etliche Bäume des Hochwaldes beschädigt wurden und selbst in der Würzburger Straße noch Glasscheiben zu Bruch gingen. 1948 kam es am Pulvermagazin zu einem Unglücksfall, als Jugendliche mit Munition spielten.

Ein ehemaliger Würzburger erzählt: „1945 bekamen arbeitsfähige Frauen und Männer in Würzburg nur Lebensmittelmarken (Lebensmittelbezugsscheine), wenn sie sich zum Schutträumen oder ähnlichem meldeten. Ich meldete mich zum Angebot Munitionsentschärfen. Im Holzgebäude am Alleeweg entschärften zehn bis zwölf Mann einige Wochen lang Gewehrmunition (Munition für das Einheitsgewehr der Deutschen Wehrmacht 1935 - 1945, K98K).“

Nach Kriegsende diente das komplett eingezäunte Gelände für etliche Wochen oder Monate als Kriegsgefangenenlager für deutsche Offiziere. Alle Gefangenen trugen auf der Kleidung die großen Buchstaben PW auf dem Rücken (PW = Prisoner of War). Das für die Gefangenen benötigte Wasser fuhren die Amerikaner mit Tankwagen heran. In diesen Tagen mußte ich, 10-jährig, einen Handwagen den Hexenbruchweg alleine hinaufziehen. Da kam langsam ein solches Fahrzeug mit Wassertank den Berg hinauf. Unmittelbar nach dem geglückten Versuch, mich daranzuhängen, um mich ziehen zu lassen, schwappte das Wasser im unverschlossenen Tank über und durchnäßte mich vollständig. Bei der Beobachtung des Lagers aus einer Hecke am Lagerzaun heraus konnte ich außerdem beobachten, wie deutsche Soldaten eine Grube aushoben, einen Bretterzaun darum aufbauten, auf Sitzhöhe einen Balken anbrachten und so einen sogenannten Donnerbalken errichteten. Zeitzeugen berichten noch, sie hätten am Zaun stehend Nachforschungen nach vermißten Familienangehörigen unternommen. Als sie Eßwaren über den Zaun warfen, wurden sie von den Bewachern vertrieben.

Nach Auflösung des Gefangenenlagers wohnten dort Flüchtlinge aus dem Osten, Deutschstämmige aus der Batschka (heute in Serbien). Ihren Aussagen zufolge wollten sie nach Amerika auswandern. Die Anzahl der Personen und die Verweildauer ist nicht bekannt. 1947 wurden die leerstehenden Munitionshäuser von Ausgebombten aus Würzburg und Ostflüchtlingen bezogen. 22 Familien machten die Häuser bewohnbar. Fenster wurden eingesetzt, Mauern eingezogen, Decken, Wände und Böden hergerichtet. Die Flächen vor den Häusern wurden als Garten angelegt, Äcker dazugepachtet, Gänse und Stallhasen gezüchtet.

Plan Pulvermagazin.

Plan Bewohnerliste.

Abbildung 5-5: Das selbe Haus wie Abbildung 5-4, 1975.
Links Reste der Umfassungsmauer mit Schießscharten, im Vordergrund der Allerseeweg.

Jeder versuchte in der schwierigen Nachkriegszeit über die Runden zu kommen und sich eine neue Existenz aufzubauen. Ein Problem war das Trinkwasser. Von einer Zapfstelle am Seeweg, die die Gemeinde Höchberg anlegte, mußte das Wasser herbeigetragen werden. Im Winter vereiste die Zapfstelle, im Sommer lief das Wasser oft nur nachts oder auch gar nicht, so daß die Gemeinde mit Tankwagen aushelfen mußte. In Gemeinschaftsarbeit und unter schwierigen Bedingungen wurde die Wasserleitung später bis zum Zisternengebäude des ehemaligen Pulvermagazins verlän- gert. Die Kinder mußten in die Zellerauer Schule in der Friedrichstraße laufen. Ein ehemaliger Schüler erzählte mir: „Wir hielten die Laster an, die Schutt in die Steinbrüche fuhren, um ein Stück mitfahren zu können. Nachmittags mußten wir zuhause mithelfen.“.

Das Ende des Pulvermagazins

Ab 1959 führte der damalige Höchberger Bürgermeister Ernst Keil Verhandlungen mit der Bundesvermögensverwaltung über den Ankauf des Geländes durch die Gemeinde Höchberg. 1967 erwarb die Gemeinde das Areal, um es ein Jahr später an eine Bauträgergesellschaft, damals DEBA, zu verkaufen, die im Umkreis noch weitere Flächen dazu erwarb. Die Gemeinde übertrug dieser Bauträgergruppe die Erschließungsmaßnahmen.

Abbildung 5-6: Werbeschild der DEBA.
Mit dem Auftauchen dieses Werbeschildes war es mit der Beschaulichkeit am Hexenbruch vorbei.

Die ersten Reihenhäuser (Albrecht-Dürer-Straße Nr. 29 - 47) entstanden und konnten Mitte 1971 bezogen werden. So fand das militärische Gelände nach mehr als 150 Jahren wieder eine zivile Nutzung.

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